Gewinnen oder Verlieren - Eine Grundfrage unserer Gesellschaft?


Ein Thema, das mich zurzeit stark beschäftigt, ist das "Gewinnen oder Verlieren".
Was ich damit meine ist, dass sich in unserer Gesellschaft ein ständiger Bewertungszwang etabliert hat, der uns dazu bringt, unser Umfeld ständig in Gewinner und Verlierer zu unterteilen.
Das geschieht schon nahezu automatisch, selbst wenn wir uns dessen nicht bewusst sind.
Um zu verdeutlichen, wie ich das meine, hier zwei Beispiele:

Ist man gut in der Schule? 
In der Schule spielen die Noten eine entscheidende Rolle. Der, der die besten Noten hat, hat gewonnen. Wer nur Einsen hat, ist ein Überflieger, ein Wunderkind, einer, um den man sich keine Sorgen mehr zu machen braucht, denn er wird es später sicher einmal zu etwas bringen.
Verlierer sind die, die schlechte Noten haben, vielleicht sogar einmal sitzen bleiben, oder sich in einer Regelschule vielleicht gar nicht erst zurechtfinden. Schlechte Noten gleich Sorgenkind, einer, der es später bestimmt einmal schwer haben wird.
Ob vielleicht die Schulform nicht die richtige ist, oder man in Bereichen talentiert ist, die in der Schule keine Rolle spielen, wird dabei nicht beachtet.

Bekommt man den Job?
Im Job geht es dann genauso weiter. Schneidet man im Vergleich zu den anderen Bewerbern besonders gut ab, erreicht im Einstellungstest das beste Ergebnis, hat den besten und "lückenlosesten" Lebenslauf vorzuweisen, dann hat man gewonnen. Herzlichen Glückwunsch! Du hast das beste Ergebnis in einem Job, der dir vielleicht nicht einmal wirklich gefällt. Hauptsache gewonnen...

Dies mag jetzt vielleicht sehr überspitzt dargestellt sein, doch begegnet uns dieses Gewinnen und Verlieren doch eigentlich ständig. Welche ist die beste Mannschaft im Fußball? Wer ist der beste Spieler? Wer hat den originellsten Stil? Wer das meiste Geld? Wer ist der Schönste? Der Größte? Der Sportlichste? Wer hat die besten Ideen? Wer das größte Auto? Das schönste Haus? Die wohlerzogensten Kinder? Den einfühlsamsten Partner? Wer gewinnt - wer verliert?

"Gewinnen" - Worum geht es dabei eigentlich?
Das Schlimme daran ist nicht, dass man ein schönes Auto, viel Geld, einen großartigen Job hat oder sich in einem bestimmten Bereich besonders hervortut. Das Schlimme ist, dass diese Einteilung als Maßstab dafür verwendet wird, wie man den Leuten begegnet - und wie man auch sich selbst begegnet.
Da wird bewertet auf Teufel komm raus und ein Blick genügt, um zu beurteilen, ob jemand der Richtige für eine bestimmte Sache ist.
Können wir uns wirklich sicher sein, dass wir einen Menschen in eine Gewinner- oder Verlierer-Kategorie einordnen können? Oder ist jeder von uns vielleicht beides zugleich - Gewinner und Verlierer? Oder ist es überhaupt wichtig, immer und immer zu gewinnen?
Will man überhaupt immer gewinnen?
Wollen wir Tag für Tag in Jobs sitzen, die uns unglücklich machen, nur weil wir das Vorstellungsgespräch gewonnen haben und einen besonders großen Batzen Geld bekommen?
Ein "verlorenes" Vorstellungsgespräch kann uns die Zeit geben, nochmals darüber nachzudenken, ob dieser Job überhaupt das ist, was wir wirklich wollen. Wenig Geld auf dem Konto kann eine Antwort darauf geben, was uns im Leben wirklich wichtig ist.
In diesem Fall ist es keine Frage mehr von Gewinnen oder Verlieren, sondern eine Frage des Weges, den ich gehen möchte. Es ist eine Frage von Entscheidungen.

Unseren Kindern erzählen wir, dass man beim Mensch-Ärgere-Dich-Nicht auch mal verlieren können muss. Dass ein verlorenes Spiel kein Grund ist zu weinen. Aber was leben wir ihnen wirklich vor?
Gerade Kinder sind sehr feinfühlig, wenn es darum geht, was Menschen einerseits predigen und, was davon sie andererseits selbst einhalten.
Und verurteilen wir uns nicht selbst oft dafür, was wir im Leben scheinbar noch nicht geschafft haben? Dass wir noch nicht das erreicht haben, was man in unserem Alter schon erreicht haben sollte?
Es ist wichtig, dass wir uns bewusst machen, dass es keine befriedigende Lösung ist, Menschen (auch sich selbst nicht) in Kategorien einzuteilen und stur nach diesen zu handeln.

Anstatt unser Leben danach auszurichten, ständig gewinnen zu müssen und das zu tun, "was man halt so macht", sollten wir anfangen, auf unsere innere Stimme zu vertrauen und den Weg zu wählen, der für uns persönlich am besten ist.
Nur so können wir letztlich erkennen, was für uns wirklich zählt.



Was ist uns wirklich wichtig?
Wir sollten uns also lieber fragen: 
Wo will ich wirklich hin im Leben?
Was ist mir wirklich wichtig?
Wie sieht mein perfekter Tag aus?
Unsere innere Stimme sagt uns meistens schon ziemlich genau, ob das, was wir gerade machen, wirklich das ist, was wir wirklich wollen. Wir müssen uns nur einmal die Zeit nehmen, ihr auch zuzuhören. Oft hetzen wir so unachtsam durch die Welt, dass wir gar keine Zeit haben, einmal innezuhalten und uns selbst zu fragen: "Halt! Will ich das wirklich, was hier gerade passiert?"
Dabei sind gerade die stillen Momente in unserem Leben diejenigen, die uns die Richtung weisen können.
In diesen Momenten geht es nicht darum, was andere von uns erwarten, oder darum, was wir jetzt machen "sollten". Es geht darum, was wir wollen, welcher Weg für uns der beste wäre.
Wir müssen uns bewusst machen, dass keiner außer uns dafür verantwortlich ist, was wir aus unserem Leben machen. Wir haben täglich die Wahl, entweder so zu handeln, wie es von uns erwartet wird, oder das zu tun, was wir wirklich wollen.

Aber was ist mit unseren Verpflichtungen?
Sicher kommt dem einen oder anderen dann sofort die Frage: 
"Aber was ist mit meinen Verpflichtungen? Es sind doch auch andere davon abhänig, wie ich mein Leben lebe, und wenn ich jetzt einfach das tue, was ich möchte, wäre das doch den anderen gegenüber egoistisch."
Wir machen uns sehr oft davon abhängig, was andere von uns denken würden, und wie andere damit umgehen würden, wenn wir jetzt unser Leben grundlegend verändern. Wenn wir jetzt den Job hinschmeißen, in ein anderes Land ziehen, oder täglich neue Gewohnheiten etablieren würden.
Oftmals existieren diese Hürden aber nur in unserem Kopf. Es ist die Angst vor dem Ungewissen, die uns davon abhält, das zu tun, was wir wirklich wollen. 
Wenn wir das Leben leben, das uns vollkommen erfüllt und glücklich macht, wirkt das auch auf unser Umfeld. Die Menschen in unserer Umgebung werden merken, dass wir entspannter und ausgeglichener sind und dadurch viel lieber Zeit mit uns verbringen. Und ebenso könnten wir beispielsweise in einem Beruf, der uns wirklich inspiriert, viel mehr bewirken und erfolgreicher sein, als in einem, den wir nur des Geldes wegen machen.

Aber es geht auch nicht darum, unser Leben, ohne Rücksicht auf andere Menschen, nach unseren Vorstellungen durchzudrücken. Es geht darum, die allgemeinen Vorstellungen davon, "wie man sein Leben leben sollte" zu hinterfragen und einen Weg zu finden, der vor allem uns selbst erfüllt.
Wenn wir selbst glücklich sind, können wir auch eine Bereicherung für alle sein, die uns begegnen, und all jene Veränderungen in der Welt bewirken, die wir uns wünschen. 




Kommentare

Beliebte Posts